»Nur die Jugend kann dafür sorgen, dass wir weiterhin in einer Demokratie leben«

Zeitzeugin Margot Friedländer besuchte das Phorms-Gymnasium in der Ackerstraße und sprach über ihre Holocaust-Erlebnisse
AUTOR: LUISE MARON | FOTO: MARINA WILDE | 2018/1

Als Margot Friedländer den Musiksaal des Phorms-Gymnasiums in Berlin Mitte betritt, wird sie von den Schülerinnen und Schülern der Geschichtskurse der Klassen 10 und 11 mit lautem Applaus begrüßt. Bereits 2015 besuchte die mittlerweile 96-jährige Zeitzeugin den Phorms-Standort, um über ihre Erfahrungen und Erlebnisse während der Zeit des Nationalsozialismus zu sprechen.

Die Jugendlichen lauschen gebannt, als sie beginnt aus ihrer Autobiografie »Versuche, dein Leben zu machen: Als Jüdin versteckt in Berlin« vorzulesen. Der Buchtitel spiegelt die letzten Worte der Mutter wider, die diese auf einem Zettel hinterließ, bevor sie Margot Friedländers Bruder bei der Abholung durch die Nationalsozialisten begleitete. Ein Satz, der Friedländers Leben bis heute geprägt hat: »Ich habe versucht, ein guter Mensch zu sein und weiterzuleben. Das habe ich geschafft – ich habe also mein Leben gemacht.« Während der Lesung zeigt sie Erinnerungsstücke wie die Bernsteinkette ihrer Mutter oder den Judenstern. Nach der Lesung erzählt die Zeitzeugin, warum sie Woche für Woche unermüdlich an Schulen von ihren Holocaust-Erlebnissen berichtet, aus welchem Grund sie damals nach New York ging und vor einigen Jahren doch wieder nach Berlin zurückgekehrt ist.

»Damals konnte ich nicht verzeihen und niemandem mehr vertrauen, deshalb ging ich in die Vereinigten Staaten. Heute spreche ich für alle, die nicht mehr sprechen können, und möchte den Schülern helfen, die Vergangenheit besser zu verstehen. Denn nur die Jugend kann dafür sorgen, dass wir weiterhin in einer Demokratie leben«, sagt Friedländer. Im Anschluss an die Lesung konnten die Schüler ihre Fragen stellen. Für die Schülerinnen und Schüler war es eine ganz besondere Veranstaltung: »Es war unglaublich interessant, Frau Friedländer zuzuhören. Ihr Buch ist sehr spannend und unsere Fragen hat sie sehr detailliert beantwortet. Wenn die Person wirklich vor einem sitzt, bekommt man noch viel mehr Informationen und Details zu hören – das fand ich sehr schön. Zum Beispiel die Tatsache, dass sie als junge Frau von ihrer Mutter und ihrem Bruder ohne Verabschiedung getrennt wurde. Das hat mich sehr berührt«, sagt Lisa, 16 Jahre, aus der 10. Klasse. Auch den 16-jährigen Mitschüler Joaquim bewegte das Treffen: »Das hat uns Geschichte sehr nahe gebracht, da sie die Zeit des Nationalsozialismus selbst miterlebt hat. Diese persönliche Ebene und Ausführlichkeit können der Unterricht oder die Geschichtsbücher gar nicht leisten. Mich hat ihre ganze Lebensgeschichte fasziniert und dass sie, trotz großer Ängste und auf sich alleine gestellt, weitergemacht hat.« Die Lesung hinterließ einen tiefen Eindruck bei den Schülern, die ergriffen den Saal verließen. Sie nehmen aus der Begegnung mit der Zeitzeugin zwei wichtige Erkenntnisse für die Zukunft mit: Antirassismus und Courage.


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AUTOR: DANIELLE M. HOCHE | GRAFIK: SUSANNE AHNER