Machst du MINT?

Die MINT-Fächer, also Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, stehen auf der Beliebtheitsskala der meisten Schüler nicht besonders weit oben. Trotzdem sind die Helden in der zurzeit erfolgreichsten TV-Comedy Serie Naturwissenschaftler: Experimentalphysiker, theoretischer Physiker, Astrophysiker, Raumfahrtingenieur. In „The Big Bang Theory“ sind diejenigen die Stars, die früher Streber hießen und heute Nerds. Serien oder Filme, in denen Naturwissenschaftler im Zentrum der Geschichte stehen, gibt es immer mehr. Die Einzelgänger von einst wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, Google-Gründer Larry Page oder Bill Gates, sie alle sind heute fast so etwas wie Popstars. Auch der Kleidungsstil der Nerds ist in der Mode angekommen: Armbanduhren mit Digitalanzeige und eckige Hornbrillen sind in und längst kein Zeichen mehr dafür, dass sich jemand nur für Formeln, Taschenrechner & Co. interessiert. Naturwissenschaftler und Forscher als neue Helden?
Das passt so gar nicht zu dem düsteren Bild, das die Politik heute malt: Fachkräftemangel im MINT-Bereich. Obwohl die Zahlen leicht gestiegen sind, gibt es immer noch zu wenig Studenten, die sich für Fächer im natur- oder ingenieurswissenschaftlichen Bereich entscheiden. Auf der Webseite der Initiative „MINT-Zukunft schaffen“ unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht: „Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist gefährdet durch den Mangel an Nachwuchs in den MINT-Qualifikationen. Der Engpass an naturwissenschaftlich-technisch qualifizierten Fachkräften ist ein strukturelles Problem, das heute schon als Wachstums- und Innovationsbremse einen hohen Wertschöpfungsverlust für die deutsche Volkswirtschaft verursacht – mit steigender Tendenz.“ Das klingt nicht gut. Es scheint mittlerweile aber eine kaum zu überblickende Masse an Initiativen von Stiftungen, Wissenschaftseinrichtungen, Fachverbänden und Hochschulallianzen zu geben, die versuchen, dieses Problem zu beseitigen.
„Komm, mach MINT“ ist eine von diesen Online-Initiativen, die als Zielgruppe Frauen im Blick hat. Denn noch immer gibt es zu wenig Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen und Berufen. Ihr Anteil soll künftig noch stärker gefördert werden. Dafür gibt es auch schon mal etwas ungewöhnliche Ansätze. Das Forschungsprojekt „Berufsorientierung im Unterhaltungsformat“, an dem sich Wissenschaftler verschiedener Einrichtungen, darunter die TU Berlin, beteiligten und das vom Bundesforschungsministerium und dem Europäischen Sozialfonds gefördert wurde, kam zu dem Ergebnis, dass Spielfilme und Serien junge Menschen bei der Berufswahl durchaus inspirieren - und zwar mehr als der Schulunterricht. Was in den USA schon länger funktioniert, soll nun auch in Deutschland versucht werden. Mit dem ‚MINTiFF‘-Netzwerk (Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften und Chancengleichheit im Fiction-For-mat) soll die Darstellung von Wissenschaft in fiktionalen Fernsehformaten gestärkt werden. Auf der Webseite heißt es dazu: „Charismatische Frauenfiguren werden zum motivierenden Berufsrollenvorbild junger Frauen und lösen einen Run auf die entsprechenden Studienfächer aus. Das Projekt MINTiFF an der TU-Berlin setzt genau hier an: Welche Chancen bieten Spielfilme und Serien, das Desinteresse junger Frauen an naturwissenschaftlich-technischen Berufen aufzubrechen und naturwissenschaftlich-technische Forschungsleistungen von hoher sozialer, ökologischer und gesellschaftlicher Relevanz breiten Publikumsschichten näherzubringen?“
Deshalb taucht auch immer wieder die Frage auf, ob es sinnvoll ist, Jungs und Mädchen für einige Jahre in den MINT-Fächern getrennt zu unterrichten. Können sich Jungs und Mädchen besser in naturwissenschaftliche Themen vertiefen, wenn sie getrennt unterrichtet werden? Argumente dafür oder dagegen gibt es viele. Einige Kritiker der Koedukation meinen, Mädchen könnten sich mutiger und stressfreier am Unterricht beteiligen, wenn der Unterricht ohne die männlichen Altersgenossen stattfindet. Befürworter meinen, es käme eher darauf an, wie der Lehrer oder die Lehrerin mit den Rollenbildern im Unterricht umgeht. Zu diesem Thema lesen Sie ab Seite 20 Meinungen von zwei Experten.
Aber ist der Schulunterricht im MINT-Bereich der einzige Grund für den zukünftigen Fachkräftemängel und gibt es noch andere Möglichkeiten, um junge Menschen für Naturwissenschaften zu begeistern? Eine Möglichkeit ist, das Interesse an den Fächern schon so früh wie möglich, also im Kindergarten, zu wecken. Dazu gibt es mittlerweile in allen Bundesländern Bildungspläne für die Kindertagesstätten. Schon die ganz Kleinen sollen durch gezielte Programme an die Naturwissenschaften herangeführt werden. Eine dieser Initiativen und deutschlandweit das größte Projekt ist das „Haus der kleinen Forscher“, das auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Mit kleinen Experimenten lernen die Kinder Naturphänomene kennen und verstehen. Doch das Projekt stößt auch auf Kritik. Der Neurobiologe und Hirnforscher Prof. Gerald Hüther kritisiert, das Projekt gehe an der Erfahrungswelt der Kinder vorbei. Wenn Kinder in eine bestimmte Richtung gelenkt würden, machen sie die Erfahrung, dass es auf ihre eigenen Ideen gar nicht ankommt. So lasse langfristig auch der Spaß am Entdecken nach. Auch Dr. Salman Ansari, promovierter Chemiker und Experte im Bereich naturwissenschaftliche Erziehung, sieht diese Form der Frühförderung skeptisch. Im Interview ab Seite 16 haben wir ihn dazu befragt.
Sind die Kinder in der Schule, geht es nicht mehr bloß darum, das Interesse an den MINT-Fächern zu wecken und zu stärken. Dann geht es vor allem auch darum, Wissen zu vermitteln, das für die Allgemeinbildung und das akademische Vorankommen Voraussetzung ist. Häufig wird den Schülern im Chemie-, Physik- oder Mathematikunterricht gar nicht richtig klar, wozu das Gelernte von Nutzen sein kann. Die bloße Theorie scheint in der Praxis nicht wirklich anwendbar zu sein. Dagegen hilft projektbezogener Unterricht. Das ist natürlich keine Neuigkeit und auch kein Geheimnis mehr. Trotzdem ist es für Lehrer und Pädagogen oft eine große Herausforderung, Projekte in den Unterricht zu integrieren, wenn doch der Stoff in der vorgegebenen Zeit vermittelt werden muss. Dass das aber doch gelingen kann, zeigen zum Beispiel einige Projekte an Phorms Schulen.