Tipps für Eltern von Immersionsschülern

Im Bereich der Sprachbildung tut sich derzeit eine ganze Menge – die bilinguale Bildung nach der Immersionsmethode ist ein Modell, das Schulen helfen kann, das mehrsprachige Potenzial ihrer Schüler voll auszuschöpfen. Doch was genau ist ein Immersionsprogramm? Wie kann ich als Elternteil helfen? Und was genau bedeutet der Besuch einer bilingualen Schule für mein Kind? Helena Curtain ist Expertin für Sprach- und Immersionsbildung. Hier beantwortet sie einige wichtige Fragen, die sich Eltern von Immersionsschülern stellen
AUTOR: HELENA CURTAIN | PHOTO: SILKE WEINSHEIMER | 2016/1

Wie läuft ein Immersionsprogramm ab?

An Immersionsschulen werden die üblichen Fächer in einer zweiten Sprache unterrichtet und der Sprachunterricht wird mit dem Unterricht in den regulären Grundschulfächern kombiniert. Der Unterrichtsschwerpunkt liegt auf dem regulären Lehrplan und die Zweitsprache wird genutzt, um bestimmte Teile des Lehrstoffs an die Schüler zu vermitteln. Der Unterricht wird sorgfältig gestaltet, um Sprache und Lehrstoff miteinander zu kombinieren, die besonderen Bedürfnisse von Sprachschülern zu erfüllen und den zwischensprachlichen Transfer von Kompetenzen, Strategien und Kenntnissen zu fördern. An Immersionsschulen wird bewusst nicht übersetzt und die Trennung der Sprachen konsequent eingehalten. Das bedeutet, dass Lehrer und Schüler im Unterricht für eine bestimmte Zeit bei einer Sprache bleiben, anstatt Englisch und Deutsch zu mischen. Studien in der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung zeigen, dass eine klare Sprachtrennung dazu beiträgt, den Erwerb von Kommunikationskompetenzen zu fördern, die Notwendigkeit des Gebrauchs der Zweitsprache für die Schüler zu erhöhen und den Transfer zwischen verschiedenen Sprachen zu unterstützen.

Wie können Eltern von Immersionsschülern ihren Kindern helfen?

Als Eltern sollten Sie Ihr Kind von Anfang an darauf vorbereiten, was es an einer bilingualen Schule erwartet. Erklären Sie ihm, dass es in der Schule neben all den anderen spannenden Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen auch eine zweite Sprache lernen wird. Machen Sie Ihrem Kind von Anfang an verständlich, dass es anfangs nicht jedes Wort des Lehrers verstehen wird, aber immer wissen wird, was der Lehrer von ihm verlangt. Sagen Sie Ihrem Kind, dass es mit der Zeit immer mehr verstehen und die neue Sprache auch selbst sprechen wird. Machen Sie Ihrem Kind Mut, indem Sie ihm versichern, wie stolz Sie sind, dass es eine zweite Sprache lernt.

Es ist sehr wichtig, von Ihrem Kind nach den ersten Tagen auf der neuen Schule noch nicht zu erwarten, dass es die Zweitsprache zu sprechen beginnt. Und vor allem: Drängen Sie Ihr Kind nicht dazu. Nach einiger Zeit wird es selbst beginnen, die Zweitsprache zu benutzen – geben Sie ihm also die Zeit, die es dafür braucht.

Ermutigen Sie Ihr Kind ruhig, die Immersionssprache auch zu Hause zu sprechen – aber verlangen Sie es nicht. Bitten Sie Ihr Kind nicht, seine Sprachkenntnisse öffentlich „vorzuführen“. Kinder verstehen intuitiv, dass Sprache ein Mittel ist, um sich mit realen Personen in alltäglichen Situationen zu verständigen. Häufig sind Immersionsschüler nicht in der Lage, spontan etwas in der Zweitsprache zu sagen, wenn sie von Eltern oder Verwandten dazu aufgefordert werden. Viele Eltern von Immersionsschülern äußern sich besorgt darüber, dass ihre Kinder die Zweitsprache nie sprechen, wenn sie zu Hause sind oder dazu aufgefordert werden – nur um dann mit Staunen festzustellen, dass sich ihr Kind bei einem zufälligen Treffen mit einem muttersprachlichen Mitschüler völlig ungezwungen in der Zweitsprache unterhalten kann.

Bitten Sie Ihr Kind auch nicht, für Sie zu übersetzen. Das Übersetzen erfordert besondere Kompetenzen, die an einer Immersionsschule nicht vermittelt werden. Bitte haben Sie unbedingt Verständnis dafür, dass Ihr Kind nach Schulschluss nicht von seinem Schultag erzählen möchte. Manche Kinder sehen den schulischen Alltag als selbstverständlich an und möchten sich nach Schulschluss lieber über andere Themen unterhalten. Geben Sie bitte auch nicht der Versuchung nach, den schulischen Fortschritt Ihres Kindes mit dem von Kindern zu vergleichen, die eine monolinguale Schule besuchen. Ihr Kind lernt in zwei Sprachen und wird von den kognitiven und akademischen Vorteilen der Zweisprachigkeit profitieren, die Schülern von Schulen, an denen der Unterricht nur in einer Sprache erfolgt, nicht zuteilwerden.

Nutzen Sie Gelegenheiten, Ihr Kind auch außerhalb der Schule im Rahmen von sprachlichen und kulturellen Veranstaltungen mit der Zweitsprache zu konfrontieren. Lassen Sie Ihr Kind wissen, dass Sie sich über seine Fortschritte freuen. Ihre positive Einstellung ist sehr wichtig für Ihr Kind. Immersionsschüler nehmen sehr genau wahr, wie ihre Eltern auf das Programm reagieren und übernehmen automatisch deren Einstellung. Schüler, die regelmäßig von ihren Eltern unterstützt und darin bestärkt werden, dass das Erlernen einer Zweitsprache durch die Immersionsmethode eine richtige Entscheidung gewesen ist, haben in der Regel keine Schwierigkeiten, sich in dem Programm zurechtzufinden.

Wird mein Kind durch den zweisprachigen Unterricht verwirrt sein oder in seinem schulischen Fortschritt behindert werden?

Das ist wissenschaftlich nicht belegt. Tatsächlich hat die Forschung gezeigt, dass das Lernen in zwei Sprachen den schulischen Fortschritt begünstigt und die Ausbildung der kognitiven Fähigkeiten fördert. Immersionsschüler sind am Ende nicht nur zweisprachig, sondern beherrschen auch den Stoff des regulären Lehrplans, der in der Fremdsprache unterrichtet wird. Darüber hinaus erreichen Sie einen Grad der Sprachbeherrschung in der Immersionssprache, der weit über den von Schülern jeder anderen Form des Sprachunterrichts hinausgeht.

Wie verlaufen die ersten Tage an einer Immersionsschule? Ist es frustrierend für ein Kind, eine Grundschule zu besuchen, an der die Hälfte des Tages niemand seine Muttersprache spricht?

Durch einen fachlich gestalteten und fürsorglichen Unterricht wird den Kindern ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Schon nach wenigen Tagen wird es Ihrem Kind gar nicht mehr auffallen, dass der Lehrer eine andere Sprache spricht. Die immersive Methode legt viel Wert auf Mimik, Gestik und Handbewegungen. Mit zunehmenden rezeptiven Fähigkeiten – also Lese- und Hörverstehen – nehmen die Kinder die Zweitsprache schrittweise in ihren alltäglichen Sprachgebrauch auf.

Wie kann ich mein Kind zu Hause unterstützen, wenn ich die Immersionssprache selbst nicht beherrsche?

Das Wichtigste, was Familien tun können, um Immersionsschüler zu unterstützen, ist, ihnen zu Hause in der Muttersprache vorzulesen. Es ist wichtig, dass Sie Ihrem Kind Geschichten in Ihrer Muttersprache vorlesen, da es sein kann, dass es diese Geschichten in der Schule nicht kennenlernen wird. Geschichten helfen Ihrem Kind, Konzepte zu entwickeln und zu erlernen, die sie dann in jeder beliebigen Sprache anwenden können. Außer dem Vorlesen ist es auch wichtig, dass Sie Ihr Kind in vielen verschiedenen sozialen und öffentlichen Situationen der eigenen Muttersprache aussetzen. Als Eltern können Sie Ihr Kind auch unterstützen, indem Sie dafür sorgen, dass es zu Hause das passende Umfeld und die nötigen Gerätschaften hat, um seine Hausaufgaben zu erledigen. Geben Sie ihm auch die Möglichkeit, Fragen zu den Hausaufgaben in der Sprache zu stellen, die Sie zu Hause sprechen.

Wie kann ich wichtigen Personen im Familienkreis wie den Grosseltern, älteren Geschwistern, nahen Verwandten oder engen Freunden nachvollziehbar machen, warum wir für unser Kind oder unsere Kinder den Besuch einer bilingualen Schule gewählt haben?

Erklären Sie ihnen, dass die immersive Methode effektiver ist, um eine Fremdsprache zu erlernen und der schulische Unterricht in der Muttersprache dabei keineswegs vernachlässigt wird. Weisen Sie darauf hin, dass die vielen Vorteile dieser Form der bilingualen Bildung in jahrelanger Forschung zum Thema Immersion nachgewiesen werden konnten. Wenn Ihr Kind die Immersionsschule schon eine Zeit lang besucht, können Sie es gelegentlich auch bitten, besorgten Großeltern oder anderen in beiden Sprachen vorzulesen, um ihnen die Sorgen zu nehmen.

In welcher Sprache sollte ich meinem Kind zu Hause das Lesen beibringen?

Ihr Kind wird seine Lesekompetenz von einer Sprache auf die andere übertragen. Als Eltern sollten Sie deshalb nicht versuchen, Ihrem Kind das Lesen in der Zweitsprache gezielt beizubringen. Wenn Ihr Kind so weit ist, dass es selbst in der Zweitsprache lesen kann, fördern Sie dies zu Hause und gehen Sie möglichst entspannt und mit Spaß an die Sache heran.

Wird mein Kind in beiden Sprachen lesen können?

Lesestrategien wie das Überfliegen von Sätzen von rechts nach links, das gezielte Durchsuchen von Texten nach Schlüsselbegriffen, das Auffinden von Wortteilen oder die Erschließung der Bedeutung aus dem Kontext sind zwischen vielen Sprachen „transferierbar“. Hat ein Schüler eine dieser Strategien in einer Sprache erlernt, kann er sie mühelos auf eine andere Sprache übertragen und schließlich eine seiner Klassenstufe entsprechende Lesekompetenz in zwei Sprachen erreichen – anstatt nur in einer.

Sie können darauf vertrauen, dass Immersionsprogramme zu den am schnellsten wachsenden und effektivsten Formen von Fremdsprachenprogrammen gehören, die heutzutage an Schulen angeboten werden. Und Immersionsschüler können davon ausgehen, dass sie ein höheres Niveau der Fremdsprachenbeherrschung erreichen werden als Schüler, die andere Formen des schulischen Fremdsprachenunterrichts erteilt bekommen. Was den schulischen Erfolg betrifft, konnte im Rahmen von fünf Jahrzehnten der Forschung in diesem Bereich durchweg gezeigt werden, dass Immersionsschüler im mündlichen und mathematischen Bereich genauso gut oder sogar besser abschneiden als Schüler, die keine Immersionsschule besuchen.

Zweisprachigkeit öffnet die Tür zum Austausch mit mehr Menschen aus mehr Ländern und erhöht zudem die beruflichen Chancen. Die Immersionsprogramme von Phorms geben den Schülern erhebliche kognitive, soziale und berufliche Vorteile mit auf den Lebensweg, da sie ihnen die Kompetenzen vermitteln, sich in einer globalisierten Welt zurechtzufinden und in einer zunehmend zusammenwachsenden Weltgemeinschaft kompetent zu agieren und vor allem zu interagieren.

 

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Helena Curtain ist eine international bekannte Autorin und Beraterin im Bereich Sprachbildung mit den Schwerpunkten Immersion und bilinguale Programme. Sie ist Koautorin von „Languages and Learners: Making the Match“. Das Buch ist inzwischen in der fünften Auflage erschienen und wird an vielen Universitäten in den USA für die Ausbildung von Sprachlehrern eingesetzt. In ihrer früheren Position als Expertin für ESL und Fremdsprachenausbildung an der Milwaukee Public School war sie für den Sprachunterricht an 20 Highschools, 20 Middle Schools und 103 Grundschulen verantwortlich.

Helena Curtain verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Arbeit mit Schulen und Schulbezirken und hat Unterricht und Workshops in den Vereinigten Staaten und in 33 anderen Ländern erteilt. Für ihre Leistungen im Bereich der Sprachbildung ist Curtain in den USA bereits mit mehreren Auszeichnungen bedacht worden. 


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