Kinder und Smartphones – passt das zusammen?

Zwei Meinungen
Autor: Tim Gailus | Philipp Depiereux | Illustration: Friederike Schlenz | Fotos: KiKA/Carlo Bansini, etventure | 2019/1

Tim Gailus

Das passt gut zusammen, wenn Kinder und Eltern gemeinsam den digitalen Weg entdecken. Ein Teil dieses Weges liegt natürlich im Schatten. Links und rechts auf diesem Pfad lauern Risiken: Kettenbriefe machen Angst, In-App-Käufe zocken ab, soziale Netzwerke stressen. Mich erreichen dazu bei KiKA viele Themenwünsche. Das Sicherheitsbedürfnis im Internet ist ein gefragtes Thema. Risiken sollten vorher vertrauensvoll besprochen und erklärt werden. Das kann helfen, konkrete Situationen in Was-wäre-wenn-Manier durchzuspielen. Wenn Eltern und Kinder gemeinsam die Mechanismen durchschauen, ist viel gewonnen. So wird zum Beispiel aus dem angstmachenden Kettenbrief eine Nutzlosnachricht.

Strikte Verbote und Drohgebärden sehe ich kritisch. Vor allem in der Grundschulzeit können Chancen vermittelt werden. Hier sind Eltern konkurrenzlos die wichtigsten Ansprechpartner im Umgang mit digitalen Medien und (noch) digitale Autoritäten. So können sie Kindern vorleben, dass das Smartphone mehr sein kann als ein Aufmerksamkeitsfresser. Und dass wir mehr sein können als nur Klicker und Konsumenten.

Kinder und Smartphone-Nutzung passen zusammen, wenn alle Beteiligten das Gerät als Werkzeug zum Gestalten begreifen. Niemals vergesse ich das Lächeln, als mir zwei Mädchen ihre erste selbst programmierte Spiele-App präsentiert haben. Ein junger Zuschauer schickte mir einen mit seiner Stummfilm-App erstellten Comedy-Kurzfilm. Bei »Timster« lerne ich junge Bücherbloggerinnen kennen, die mit Smartphones ihre Bücher fotografisch in Szene setzen, um die Liebe zum Lesen zu thematisieren. Medien zu gestalten stärkt das Selbstvertrauen mehr, als Medien nur zu konsumieren.

In der Offline-Welt sollten Hobbies sowie Spiel, Spaß und Entspannung der Kinder nicht zu kurz kommen. In der digitalen Welt sollten Eltern auf gute Apps, Games und Inhalte achten. Ein erster Anlaufpunkt ist »www.seitenstark. de«. Diese Plattform bietet eine Übersicht von an Kinder gerichteten Internetseiten mit hohen Qualitätsansprüchen. Die Seite »www.spielbar.de« beurteilt neueste Videospiele. Gelungene App-Wegweiser sind für mich »www.medienlabyrinth.de« oder »www.ene-mene-mobile.de«. Eine sichere Videoplattform bietet die App »KiKA-Player«.

Clever genutzt, kann das Smartphone also ein gutes Werkzeug und ein smarter, digitaler Spielplatz sein. Umso wichtiger ist es, dass Kinder möglichst gut geschützt und bestens begleitet den digitalen Weg gehen.


Meine App-Tipps

Monkey Swag

Eine spannende Schatzsuche! Und nebenbei lernen Kinder ganz spielerisch etwas über Geometrie. Das Spiel wurde 2018 mit dem deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet.

Splitter Critters

Ein pfiffiges Puzzle-Spiel mit niedlichen Knubbel-Aliens, die garantiert niemandem Angst machen.

Professor Astrokatz

Eine herausragende Lern-App über unser Sonnensystem.

The Unstoppables

Eine tolle und sogar kostenlose App mit einer starken Geschichte, die sich dem Thema Anderssein in der Gesellschaft annähert.

KiKA-Player

Alle Sendungen des KiKA endlich in einer App.


Tim Gailus ist Moderator beim Kinder-Medienmagazin »Timster« (KiKA). Jedes Wochenende entdeckt er bei KiKA die Medienwelt und regt dazu an, Medien kreativ und souverän zu nutzen. Die KiKA-Sendung »Timster« wurde 2017 mit dem klicksafe-Preis ausgezeichnet und 2018 für den Grimme-Preis nominiert. Seit 2016 ist Tim Gailus Lesebotschafter der Stiftung Lesen.

www.kika.de/timster

Twitter / Instagram @TimGailus


Philipp Depiereux

Kinder und Smartphones – passt das zusammen? Die Gegenfrage wäre: Wozu brauchen Kinder Smartphones oder was können sie mit ihnen besser als ohne sie? Kinder sind sensible Wesen, die besonders in ihren frühen Jahren alles ungefiltert aufnehmen. Ein frühzeitiger, uneingeschränkter Zugang zum Smartphone und internetfähigen Applikationen ist problematisch.

Durch verfrühten digitalen beziehungsweise medialen Kontakt wird den Kindern klassische Spielzeit genommen. Die Folge: Die Empathie-, Kreativitäts- und Kommunikationsentwicklungen werden gehemmt, da sie permanent von vorgefertigten Inhalten berieselt werden und weniger soziale Interaktion haben. Der eigene, freie Zugang zur Welt wird behindert; das so wichtige mit allen Sinnen Entdecken und Erleben eingeschränkt. Vor dem Bildschirm entwickeln sich soziale Fähigkeiten nachweislich schlechter. Zudem beeinträchtigen Smartphones die Gesundheit und Bildung junger Menschen. Smartphones lassen zwar Momente der Langeweile versiegen, die aber wiederum Ideenreichtum erzeugen können. Wenn ein Kind von sich aus ein grünes Tuch anzieht, durch den Garten hüpft und sagt »Ich bin ein Frosch!«, mag das simpel sein, aber eben auch kindgerecht und kreativ.

Die ständige Verfügbarkeit von digitalen Geräten verführt zur ständigen Benutzung, weil es gerade in der schnelllebigen Welt von heute praktisch und einfach ist. Einen achtstündigen Transatlantikflug mit Kind ohne Filme oder Tablet zu meistern – für viele Eltern unvorstellbar, denn Tablets sind dankbare Zeitüberbrücker. Allerdings könnten Eltern diese Zeit ganz bewusst mit ihrem Kind verbringen, gemeinsam Malen, Rätseln oder Lesen und zudem ihre eigene kreative Ader re-aktivieren.

Eltern sind die wichtigsten Ansprechpartner für ihre Kinder. Deshalb ist es wichtig, sich auch beim Thema Medien viel Zeit für den Nachwuchs zu nehmen und die Heranführung an digitale Medien inhaltlich geplant und wohlbedacht zu vollziehen. Ein möglichst spätes Einstiegsalter, ausgewählte Inhalte, klare Regeln und sinnvolle Dosierung sind hier anzustreben. So wie Eltern in der realen Welt genau festlegen, was Kinder an welchem Ort und zu welcher Zeit tun dürfen, sollten Eltern auch auf dem Weg durch die digitale Welt in der Verantwortung bleiben. Und Kinder erlernen den Umgang mit digitalen Technologien schneller als wir uns vorstellen können, ein frühes Üben ist daher überhaupt nicht notwendig.

Es ist wichtig, dass jeder für sich und seine Kinder einen geeigneten Weg findet, der nach eigener persönlicher Auffassung einen adäquaten und altersgerechten Zugang zu digitalen Technologien und deren Konsum bietet. Wie lange ein Kind non-digital aufwächst, müssen Eltern am Ende selbst abwägen. Wichtig sind der offene Austausch über Chancen und Risiken sowie eine Weitsicht, die uns und den Kindern trotz omnipräsenter Bildschirme vor der Nase erhalten bleiben sollte.


Philipp Depiereux ist Gründer und Geschäftsführer der Digitalberatung und Startup-Schmiede »etventure«, BILANZ-Kolumnist und Gründer der Non-Profit-Initiative ChangeRider.com, ein Video- und Podcastformat, das die positiven Geschichten rund um Innovation, Digitalisierung, Disruption und Wandel in den Vordergrund rückt. Als Vater von vier Kindern und Befürworter der Waldorfpädagogik bevorzugt er das Aufwachsen seiner Kinder weitestgehend medien- und digitalfrei.


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Im Gespräch mit Professor Dr. Christian Montag über die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Digitalisierung. Im Rahmen des schuleigenen Diskussions- und Vortragsformats »Talking Phorms« war Montag zu Gast auf dem Phorms Campus München und referierte über »Ein Zuviel an Smartphone-Nutzung & Co.«
2019/1
Autor: Luise Maron | Illustration: Friederike Schlenz | Foto: Elvira Eberhardt/Universität Ulm