Das bilinguale Lernerlebnis

Mit Immersion Sprachen automatisch erwerben – Kinder und Jugendliche eignen sich mit dieser Methode Sprache auf ganz natürliche Art und Weise an, ohne lästiges Auswendiglernen. Dieser Praxis liegen verschiedene Erkenntnisse zum Fremdsprachenerwerb und den kognitiven Vorteilen ganzheitlicher Lernumfelder zugrunde
Autor: Selena Mell | Illustration: Anja Riese | 2018/2

Seit der Einführung des Lernkonzepts »Immersion« in St. Lambert, Quebec, und Miami, Florida, im Jahr 1968, haben jahrzehntelange Studien die signifikanten kognitiven Vorteile eines frühzeitigen Fremdsprachenerwerbs in einem immersiven Umfeld zweifelsfrei belegt. 2006 entschied Phorms dieses einzigartige Lernkonzept auch deutschen Familien in Berlin anzubieten. Die Immersionsmethode fand schon damals schnell großen Anklang, sodass innerhalb kurzer Zeit weitere Schulen in anderen deutschen Großstädten eröffnet wurden.

Die Phorms-Schulen setzen für die Immersionsmethode in der Sprachkombination Deutsch-Englisch speziell geschulte Lehrer aus aller Welt ein. Sie kommen beispielsweise aus Australien, Kanada, Neuseeland, den Vereinigten Staaten oder auch aus europäischen Nachbarländern wie Irland und dem Vereinigten Königreich. Selbstverständlich sind neben den ausländischen Lehrern auch deutsche Pädagogen Teil des Bildungskonzepts und sorgen dafür, dass der Bezug zu den deutschen Wurzeln erhalten bleibt und gefestigt wird.

Allerdings geht es bei dieser Methode nicht allein um das Erlernen einer Fremdsprache. Auch eine gewisse Weltoffenheit, die durch den frühen Kontakt zu unterschiedlichen Kulturen und Sichtweisen entsteht, wird dadurch gefördert. Das ermöglichen vor allem die Pädagogen, die aus unterschiedlichen Teilen der Welt mit unterschiedlichen Lehransätzen in Immersionsschulen zusammenkommen.

Hinzu kommt, dass mit der rasanten technologischen Entwicklung die Welt heute vernetzter ist denn je und das heißt, dass die jetzige Generation auf eine Welt zusteuert, die sich stark von jener unterscheidet, die uns geprägt hat. Grenzüberschreitende berufliche Chancen nehmen zu und Zweisprachigkeit ist eine wichtige Voraussetzung, um sich erfolgreich in dieser global vernetzten Gemeinschaft zu behaupten. Schüler müssen somit in der Lage sein, andere zu verstehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Kontinuierlicher positiver Kontakt und regelmäßige Interaktion mit Menschen anderer Herkunft helfen Schülern am effektivsten Aufgeschlossenheit und Akzeptanz zu entwickeln. Das sind Eigenschaften, die dazu beitragen, sie auf die fortschreitende Globalisierung vorzubereiten.

Größere Konzentrationsfähigkeit

Die Forschungen von Dr. Luk aus Harvard belegen, dass Zweisprachigkeit auch das Gehirn ein Leben lang beeinflusst. Schüler, die mit der Immersionsmethode unterrichtet werden und mehrsprachig aufwachsen, sind laut seinen Forschungen verstärkt in der Lage, sich auf relevante Informationen zu konzentrieren und steigern stetig ihre Denkfähigkeit.

Auch ist nachgewiesen, dass Erwachsene, die in einem multikulturellen und bilingualen Umfeld aufgewachsen sind, nachweislich weniger Hemmungen haben, Dinge offen zu hinterfragen und Fehler zu machen, um daraus zu lernen. Auch sind ihre Fähigkeiten bezüglich allgemeiner Teamarbeit sehr ausgeprägt und sie scheuen sich nicht, einander bei der Klärung linguistischer Feinheiten um Hilfe zu bitten. Bilinguale Schüler lernen auch nicht nur, leichter Probleme zu lösen und Informationen zu entschlüsseln, sondern entwickeln darüber hinaus ein sehr gutes Gespür für verbale und nonverbale Hinweise. Vor allem wenn es darum geht, sich in einem bestimmten Umfeld neu zu orientieren oder zurechtzufinden.


Bilingualität fördert Multitasking

Mit der Immersionsmethode werden mit dem eigentlichen Unterrichtsstoff gleichzeitig Sprachen, Lese- und Schreibkompetenzen sowie interkulturelle Skills vermittelt. Hinzu kommt, so Dr. Sorace, Professor für Entwicklungsorientierte Sprachwissenschaften an der Universität von Edinburgh, dass die Schüler der Immersionsmethode aufgrund der ständig wechselnden Kommunikationsebenen im Tagesverlauf besser in der Lage sind, von einer Aufgabe zur nächsten »umzuschalten«. Sie lernen sich auf eine Sache zu fokussieren, ohne sich ablenken zu lassen.

Kinder und Jugendliche mit ein und derselben Muttersprache finden sich oft in Gruppen zusammen, denn die gemeinsame Sprache gibt ihnen ein Gefühl von Vertrautheit und Zusammengehörigkeit. In einem schulischen Umfeld wurde nun dennoch bewiesen, dass bilinguale Schüler sich mehr aufeinander stützen und ihre Kenntnisse unterschiedlicher Sprachen gezielt nutzen, um zu kommunizieren und ganz allgemein ihre Wahrnehmung zu erweitern. Trotz dieser Gruppenbildung sind sie offener für andere Sprachen, die ein fester Bestandteil ihres Alltags sind. Diese sprachübergreifenden Fähigkeiten sind eine wertvolle Hilfe bei Lern- und Verstehensprozessen. Dr. Garcia, Professor für Bilinguale Bildung am Graduate Center CUNY, sagt hierzu: »[Die Schüler] greifen bei diesem Prozess des Verstehens auf ihren ganzen Sprachschatz und all ihre kognitiven Fähigkeiten zurück [und das] maximiert das Kommunikationspotenzial, ohne dass unnatürliche Grenzen zwischen den einzelnen Wörtern entstehen«. Diese Fähigkeit ist für Lernende ein großer Vorteil und kann sich positiv auf die schulischen Leistungen in beiden Sprachen auswirken.

Im Rahmen des bilingualen Lernerlebnisses muss noch hinzugefügt werden, dass Schüler bei der Immersionsmethode in der Anfangsphase häufiger Fehler machen als monolinguale Kinder und Wörter aus den verschiedenen Sprachen durcheinander bringen. Das ist aber ganz normal und kein Grund zur Beunruhigung. Als Lehrer wollen wir, dass die Schüler ihr Wissen und ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen und mühelos zwischen den Sprachen hin und her wechseln. Hierfür brauchen sie möglichst viele Gelegenheiten, beide Sprachen praktisch anzuwenden – idealerweise in einem Lernumfeld, das die Vermittlung des Lehrstoffs und die sprachliche Weiterentwicklung miteinander verknüpft. Und genau das tun wir bei Phorms.


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Selena Mell, Education Programme Director für die Phorms Schulen Berlin
Selena Mell stammt aus Kanada und ist seit 1989 im Bildungsbereich tätig. Sie hat in Kanada, Frankreich und den USA Französisch, Englische Literatur, »Special Education« und »Educational Leadership« studiert.


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