Auslandsstipendium in Michigan

„Eisfischen am Lake Huron“: Laura Lütt war als 17-jährige für ein Jahr in De Tour Village in Michigan in den USA. Ein Stipendium des Parlamentarischen Patenschafts-Programms brachte sie in den Ort mit 300 Einwohnern an der Grenze zu Kanada
FOTO: PRIVAT | 2014

 

Du bist mit dem Parlamentarischen Patenschafts-Programm ein Jahr in den USA gewesen. Wie lief das Bewerbungsverfahren ab?

Zunächst habe ich meine Bewerbungsunterlagen eingeschickt und nach ein paar Monaten wurde ich zu einem Auswahlgespräch eingeladen. Dort gab es dann Einzelgespräche, eine Gruppendiskussion und am Ende einen Test, wo es um allgemeine politische Bildung ging.

War das ein hartes Auswahlverfahren?

Ja, schon. Das ist aber in jedem Wahlkreis unterschiedlich. In meinem Wahlkreis, in Cuxhafen, hatten sich viele Leute beworben. Ich musste mich gegen viele Mitbewerber durchsetzen. Ein paar Wochen später bekam ich die Nachricht, dass sich mein Bundestagsabgeordneter für mich entschieden hat.

Wie wurdet ihr auf das Jahr vorbereitet?

Es gab ein einwöchiges Vorbereitungsseminar in Würzburg. Wir mussten eine ganze Menge lernen. Es ging um Themen wie die amerikanische Geschichte und die deutschamerikanischen Beziehungen. Das war eine richtig tolle Woche, in der ich auch schon Freunde gefunden habe, mit denen ich mich jetzt noch regelmäßig treffe.

Wo hast Du dann Dein Jahr genau verbracht?

Erst ein paar Tage vor dem Abflug habe ich erfahren, wo es überhaupt hingeht. Ich sollte nach De Tour Village. Das ist ein ganz kleiner Ort mit 300 Einwohnern in Michigan. Die nächste größere Stadt ist direkt an der Grenze zu Ontario, Kanada.

Von De Tour Village nach Sault Ste. Marie muss man aber noch circa eine Stunde fahren. Wenn man zum Einkaufen will, zum Arzt oder ins Kino, ist man erstmal unterwegs.

Wie hat es Dir dort gefallen?

Es war landschaftlich wunderschön. Es ist ja die Region der Großen Seen. De Tour Village liegt direkt am Lake Huron. Es gibt sehr viel Wald in dieser Gegend und im Winter lag sehr viel Schnee.

Was hast Du während des Jahres gemacht?

Ich bin dort zur Highschool gegangen. Ich will nicht schlecht über das amerikanische Bildungssystem sprechen, aber wenn man in Deutschland zur Schule geht, hat man in den USA keine Probleme in der Schule. Das Unterrichtssystem ist da wirklich ganz anders. Es geht viel mehr um das Auswendiglernen und nicht so sehr um das Anwenden. Das Niveau war schon niedriger als in Deutschland. Aber mir ging es in der Schule eher um den sozialen Aspekt, dass ich mit Menschen in Kontakt komme, Freunde finde und mich im Sport engagiere.

Und hat das funktioniert?

Ja, auf jeden Fall. Meine Gastmutter war an meiner Schule Volleyballcoach. Die hat mich dann gleich ins Team gesteckt, obwohl ich die totale Niete im Volleyball war. Die haben mich aber gleich aufgenommen. Dadurch, dass die Highschool so klein ist - in meinem Jahrgang waren 18 Schülerinnen und Schüler, fünf davon Austauschschüler - ging das mit dem Kennenlernen ziemlich schnell.

Musstest Du durch das Stipendium auch repräsentative Aufgaben übernehmen?

Ja, auf der internationalen Woche haben wir den Kindergarten besucht und den Kindern etwas über Deutschland erzählt. Und wir haben verschiedene Präsentationen gehalten, um den Amerikanern Deutschland etwas näher zu bringen. Denn man merkt schon bei den Fragen, die die Amerikaner über Deutschland stellen, dass da nicht besonders viel Wissen ist. Es ist zwar Interesse da, aber sie lernen einfach nicht so viel über Europa, wie wir über die USA. Man merkt schon, dass da ein Bedarf ist, dass Menschen als Minibotschafter in die USA gehen und aufklären.

Wie war das Leben in Deiner Gastfamilie?

Mit meiner Gastfamilie hatte ich wirklich Glück. Ich hatte noch einen kleinen Gastbruder, mit dem ich mich super verstanden habe. Der Gastvater arbeitet im Wasserwerk und ist dort für die Wasserversorgung zuständig. Meine Gastmutter ist Lehrerin an der Highschool und für den Sport zuständig. Das Haus liegt ziemlich zentral in De Tour Village. Ich hatte während des Jahres ein eigenes Zimmer.

Warst Du in das Familienleben eingebunden?

Die Familie hat mich super integriert und auch dafür gesorgt, dass ich Freunde finde.

Ich war natürlich schon am Anfang schüchtern, als ich dort angekommen bin. Meine Gasteltern haben mich angespornt und mir schon ganz gut klar gemacht, dass ich auch selber mal aktiv werden muss.

Wie war das Familienleben ansonsten?

Die Amerikaner sind auf jeden Fall ziemlich „overprotectiv“: ‚Mit wem bist Du unterwegs? Wer fährt? Was macht ihr?’ Das ist bei den Amerikanern ziemlich tief verwurzelt. Erst wenn sie wirklich volljährig sind, haben die Jugendlichen ein bisschen mehr Freiheiten. Das ist bei uns schon ein wenig anders, ist mein Gefühl.

Hast Du schnell Freundschaften geschlossen?

Ja, das ging ziemlich schnell. Vor allem durch den Sport war das einfach. Und als Austauschschüler ist man in so einem Ort natürlich schnell bekannt. Alle sind auch schon ziemlich offen und interessiert und gehen auf einen zu. Manches davon war vielleicht auch nur oberflächlich, aber es sind auch richtig gute Freundschaften entstanden.

Stimmt denn das Klischee, dass Amerikaner immer ziemlich oberflächlich sind? Wie hast du das erlebt?

Ich hab wirklich viele echte Freunde gefunden. Aber ich habe auch andere Sachen erlebt. Zum Bespiel, dass die Leute einem das Gefühl vermitteln, man wäre ganz eng befreundet und dass sie unbedingt etwas mit einem unternehmen möchten. Dann ruft man ein paar Mal an und merkt dann aber, das war gar nicht ernst gemeint und die wollen gar nicht wirklich was mit einem unternehmen. Da musste ich mich auf jeden Fall erst einmal ein bisschen dran gewöhnen, weil wir Deutschen da ein bisschen anders sind.

War es schwierig damit klar zu kommen?

Ja, am Anfang habe ich daran schon ein bisschen gekaut. So einen Teil des Kulturschocks macht das aus, würde ich sagen.

Was hast Du in Deiner Freizeit unternommen?

Wir haben ganz oft DVD-Abende gemacht, am Lagerfeuer gesessen, sind Schwimmen gegangen oder ins Kino. Ich habe meine Freunde auch oft durch den Sport gesehen, fast alle waren ja auch im Sport-Team.

Hast Du andere Dinge gemacht als in Deutschland?

Dadurch, dass der Ort ja so klein ist, musste man natürlich erst einmal fahren, wenn man etwas Spannendes unternehmen wollte. Kino, oder etwas essen gehen. Im Winter sind wir viel Schneemobil gefahren oder Eisfischen gegangen. Wenn man ein halbes Jahr Schnee hat, muss man die Zeit ja irgendwie gut nutzen. Die Leute sind insgesamt viel draußen, in der Natur. Viele gehen jagen.

Was hat Dir in den USA besonders gut gefallen?

Die Mentalität. Was mich an den Amerikanern so fasziniert, ist die Einstellung, dieses‚ wenn ich das wirklich will, dann kann ich das auch schaffen‘, diesen Ehrgeiz und diese Hoffnung, dass sie alles erreichen können. Die Amerikaner sind überzeugt, dass es so funktioniert: ich will das, ich strenge mich jetzt an und dann schaffe ich das auch. Davon habe ich auch persönlich für mich einiges mitgenommen. Den Gedanken finde ich auf jeden Fall klasse.

Hattest Du ein besonders schönes Erlebnis?

Ein besonderes Erlebnis war auf jeden Fall der Spring Break-Urlaub, als wir nach Washington DC gefahren sind und das Herz der amerikanischen Macht gesehen haben. Wir sind in vielen Museen gewesen und haben das Lincoln Memorial und das Capitol besucht. Washington ist eine sehr faszinierende Stadt. Alles ist dort so sauber und aufgeräumt.

Gab es etwas was Dir nicht so gut gefallen hat?

Ich glaube das war vor allem schon die Oberflächlichkeit bei einigen Menschen, auf die ich am Anfang vielleicht ein bisschen reingefallen bin. Und es war im Winter manchmal schon ziemlich einsam, mit dem ganzen Schnee. Aber ansonsten gab es nichts Negatives.

Wir war das Klima denn insgesamt?

Im Winter ist es schon ziemlich kalt und es liegt ein halbes Jahr Schnee. Der schmilzt dann im Mai. Dann konnte ich mich im Bikini aufs Sonnendeck legen und mich bräunen. Zwei Tage später hat es dann wieder geschneit. Das Wetter kann sich dort ziemlich schnell verändern.

Wie glaubst Du, hat Dich das Jahr denn insgesamt geprägt?

Als ich im letzten Sommer zurück kam und wieder meinen alten Ferienjob im Restaurant angenommen hab, meinte mein Chef ‚Laura, Du hast Dich ja vollkommen verändert.’ Ich bin auf jeden Fall viel offener geworden und auch selbstbewusster. Das merke ich auch selbst.

Hattest Du zwischendurch auch mal Heimweh?

In der zehnten Klasse war ich schon einmal drei Monate in der französischsprachigen Schweiz. Da hatte ich schon noch Heimweh. Da war ich anscheinend noch nicht bereit, alleine klar zu kommen. Es war schön, aber es war schon unterschwellig immer dieses Heimweh da. Aber in den USA war von Heimweh wirklich keine Spur. Aber ich hatte auch großes Glück mit meiner Gastfamilie.


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