Was ist eigentlich Microfinance?

An der Phorms Schule Frankfurt werden die Schülerinnen und Schüler schon früh für wirtschaftliche Zusammenhänge sensibilisiert. In der Theorie und mit Beispielen aus der Praxis
AUTOR: MAX KLINKE, 9. KLASSE, PHORMS TAUNUS CAMPUS | FOTO: M. ROCKSTROH-KRUFT/CARGO HUMAN CARE | 2014

 

Steinbach im Taunus, frühmorgens. Autos überall, unterschiedliche. Da sind viele Kleinwagen, ein paar staubige Kombis, aber auch zahlreiche bullige SUVs, oder mehrere schnittige Sportwagen, die mit Vollgas wieder abrauschen, sobald die Kleinen sicher in der Schule sind. Das ist der Alltag hier.

 Gestern Abend noch im Fernsehen: Bilder von den Philippinen. Das Grauen, Unwetter, Verwüstung, Hunger, Hilflosigkeit, Tote – auch viele Kinder sind darunter. Und dazu kommt verzweifelte Armut. Bitterer Alltag. Aber eben dort. Und irgendwie auch weit entfernt. Dazwischen ist ein Weg.

 Einige Schüler der siebten und achten Klasse des Phorms Taunus Campus haben Glück, denn es gibt Frau Isabelle Zeuch von der Frankfurt School of Finance and Management, die seit diesem Schuljahr einen Kurs über die Mechanismen und die Grundlagen des Microfinance anbietet.

Das Thema hört sich erst einmal eher trocken an. Aber wie so oft liegt es am Lehrenden, selbst nüchternen Stoff lebendig zu transportieren. In unserem Fall ist es Frau Zeuch, der das gelingt und die es schafft, uns sogar nach der regulären Schulzeit, also ab 16 Uhr, noch für Themen zu motivieren, die unseren Alltag nicht immer betreffen, aber dennoch berühren.

Es geht um Kleinstkredite für Menschen, die keine pfändbaren Gegenstände besitzen. Das Ziel eines Mikrokredits ist es nicht etwa, den Bau eines Hauses oder den Kauf von Wertgegenständen zu finanzieren. Nein, das Ziel eines solchen Kredites ist es, dem Kreditnehmer zu helfen, sich selbst zu helfen, indem er sich Dank einer sinnvollen Idee ein kleines oder mittelständisches Unternehmen aufbaut, ein sogenanntes SME (small and medium enterprise). Bei diesem „Unternehmen“ kann es sich durchaus um einen einfachen Kiosk am Straßenrand handeln. Das Interessante dabei ist, dass die Kreditnehmer nicht sich selbst überlassen sind, sondern von Experten auf ihrem Weg zur erfolgreichen Selbständigkeit mit Rat und Tat begleitet werden. Ein großer personeller Aufwand für das jeweilige Mikrofinanzinstitut, der sich aber auch auszahlt, da so die unerfahrenen Unternehmer eher in der Lage sind, die Kredite zu begleichen. Die sehr hohe Rückzahlungsquote von 98 Prozent gibt allen Seiten Recht. Besonders auch dem Mitbegründer dieser revolutionären Idee, Muhammad Yunus, einem Wirtschaftswissenschaftler aus Bangladesch. 2006 gewann er mit seinem Modell den Friedensnobelpreis. Zinsen von bis zu 40 Prozent pro Jahr erscheinen sehr hoch, sind in Deutschland nicht vorstellbar, misst man aber den immensen Aufwand bei einem kleinem Kreditvolumen (bis zu 1000 Dollar), ist dies nachvollziehbar.

Ein Unterstützer und Förderer der so wichtigen Kleinkredite ist Fokko Doyen, Geschäftsführer der Lufthansa Cargo Human Care. Er hat uns im Rahmen des Microfinance-Kurses besucht und uns von seinen Erfahrungen berichtet. Als Fokko Doyen eine Ausbildung zum Piloten absolvierte, entschloss er sich für Cargo, denn auf diesen Frachtfliegern kann man ein paar Jahre früher Kapitän werden, als auf den Passagiermaschinen. Kapitän sein, bedeutete auch Langstrecken zu fliegen, und das war das Ziel. Oft flog Fokko Doyen nach Kenia, kannte Land und Leute. Und auch die Missstände, die Armut, den Hunger. Tatenlos zusehen, das war nichts für den heutigen MD-11-Flottenchef und Geschäftsführer der Lufthansa Cargo Human Care. Es folgten Taten. Alles begann 1999, mit einzelnen Koffern mit gesammelter Kinderkleidung nach Nairobi. Er brachte diese Koffer, unterstützt von Schülern der Pestalozzischule an seinem Wohnort Idstein, nach Kenia. Und mit ihnen die Idee zu einer Hilfsorganisation.

Acht Jahre später wurde 2007 aus dieser Initiative der Verein Cargo Human Care e. V., dessen 1. Vorsitzender der Doyen heute ist. Gemeinsam mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung konnte bereits im selben Jahr mittels einer Spendenaktion in den Slums von Nairobi das Waisenhaus Mothers’ Mercy Home gebaut werden, das 99 Kinder zwischen sechs und 17 Jahren umsorgt. Im Cargo Human Care Medical Centre, das dem Waisenhaus angeschlossen ist, werden rund 2000 Menschen pro Monat behandelt. Für die medizinische Betreuung sorgen, über das Jahr verteilt, 30 deutsche Ärzte, die dort unentgeltlich arbeiten.

Vielleicht dürfen wir Phorms-Schüler selbst einmal die Projekte der Lufthansa Cargo Human Care in Kenia besuchen. Es wäre toll, das was man in der Schule in der Theorie lernt, auch einmal vor Ort zu erleben.

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Isabelle Zeuch studierte an der Frankfurt School of Finance & Manangement internationale BWL. Den Master of Finance mit Schwerpunkt in Entwicklungsfinanzierung schloss sie 2012 ab. Während ihres Studiums absolvierte sie Praktika bei verschiedenen Banken und war im Rahmen von Auslandsaufenthalten unter anderem in Frankreich und Ghana. Seit Januar 2013 ist sie als Investment Manager im Bereich Entwicklungsfinanzierung bei der Frankfurt School Financial Services GmbH tätig

Fokko Doyen ist Pilot bei der Luftfrachtgesellschaft Lufthansa Cargo. Zusammen mit Kollegen engagiert er sich seit 2004 in Kenia. 2007 wurde der Verein Lufthansa Cargo Human Care e.V. gegründet. Zum Engagement des Vereins gehören unter anderem ein Waisenhaus, ein medizinisches Zentrum, in dem regelmäßig deutsche Ärzte unentgeltlich arbeiten sowie ein Zentrum für Mütter und Kinder in Not. Für sein Engagement beim Aufbau von Cargo Human Care e.V. erhielt Fokko Doyen 2011 den „Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland aus Anlass des Tages des Ehrenamtes“


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