„Die Namen bekamen ein Gesicht“

Das Baruch Auerbach’sche Waisenhaus - Schülerin Danielle M. Hoche über die Einweihung einer jüdischen Gedenkstätte
AUTOR: DANIELLE M. HOCHE | GRAFIK: SUSANNE AHNER | 2015/1

 

Am 26. Juni 2014 um 12 Uhr fanden sich Schülerinnen und Schüler der Kurt-Schwitters-Schule und  des Phorms Campus Berlin Mitte zusammen und verlasen die Namen der ermordeten jüdischen Kinder des Baruch Auerbach’schen Waisenhauses.

Die „Baruch Auerbach’sche Waisen- und Erziehungsanstalt für jüdische Knaben und Mädchen“ wurde 1832 in der Oranienburger Straße 38 gegründet. Im Juni 1897 zog das Waisenhaus in die Schönhauser Allee 162 um. Seit Ende 1942 wurden etwa 140 Kinder und Jugendliche zusammen mit ihren Betreuern nach Auschwitz und Riga deportiert und dort getötet.

Das ehemalige Gebäude des Baruch Auerbach’schen Waisenhauses wurde stark beschädigt und während der 1950er Jahre abgerissen. Heute ist nur noch ein Teil der Vorgartenmauer erhalten. Diese Mauer war der Grund für die neue Einweihung der Gedenkstätte. 2013 fand in Berlin ein künstlerischer Wettbewerb statt. Der Siegerentwurf „Ich war hier“ von der Künstlerin Susanne Ahner beinhaltete die Idee, die bislang bekannten Namen und das Alter der ermordeten Kinder und ihrer Betreuer in die Vorgartenmauer zu meißeln.

Es war eine sehr emotionale und interessante Veranstaltung, welche uns erneut gezeigt hat, wie viele Opfer der Nationalsozialismus forderte.

Das jüngste Opfer unter denen, deren Namen wir verlasen, war ein zehn Monate alter Säugling. Alle hatten mit den Tränen zu kämpfen und Walter Frankenstein, mit dem wir schon vorher in Kontakt getreten waren und dessen Buch wir im Unterricht lasen, war sichtlich ergriffen. Wir haben im Unterricht sein Buch gelesen und er besuchte uns auch schon einmal auf dem Phorms Campus Berlin Mitte und berichtete als Zeitzeuge über seine Erfahrungen im dritten Reich. Er war in diesem Waisenhaus aufgewachsen, hatte dort Freunde gefunden und auch seine spätere Frau Leonie Frankenstein dort kennengelernt. Viele der Namen, die wir vorlasen, kannte er, immer wieder sah man ihn aus dem Augenwinkel nicken oder flüchtig sein Taschentuch über die Augen streifen. Musikalisch untermalt wurde die Einweihung durch die Saxophonistin Kathrin Lemke.

Jeder von uns hatte seine Namensliste vorher durchgelesen, mehrfach laut vor der Klasse vorgelesen. Doch trotzdem hatte man das Gefühl, dass erst während der Einweihung, in der Anwesenheit einiger ehemaliger Bewohner des Waisenhauses, diese Namen ein Gesicht bekamen. Der Aspekt, dass es Kinder waren, die in die Transporter gestopft wurden, denn nicht anders sind sie damals behandelt worden, verdeutlicht die schreckliche Situation der jüdischen Bevölkerung der damaligen Zeit.

Ich freue mich, dass wir ein Teil dieser Veranstaltung sein durften und wir im Laufe dieses Jahres Walter Frankenstein erneut als unseren Gast begrüßen dürfen.

+++


Danielle M. Hoche, 12. Klasse, Phorms Campus Berlin Mitte


Lesen Sie jetzt:

Praktikum auf dem Karolinienhof

Jon vom Phorms Campus Berlin Mitte über sein Praktikum auf dem Karolinienhof
2013/2
AUTOR: JON AMANN, 10. KLASSE, PHORMS CAMPUS BERLIN MITTE | FOTO: PRIVAT