Was macht guten Unterricht aus?

Professor Andreas Gold erklärt, was Lehrer machen können, damit Kinder gut lernen
FOTO: SILKE WEINSHEIMER | 2016/1

 

Sie haben ein Buch geschrieben, das „Guter Unterricht“ heißt. Wie kamen Sie auf dieses Thema?

Mich interessiert, wie Kinder und Jugendliche lernen und auch, was dazu führt, dass manche Kinder hierbei mehr Schwierigkeiten haben als andere. Vor allem möchte ich aber herausfinden, was Lehrer machen können, damit Kinder gut lernen.

Was genau macht denn ein guter Lehrer?

Zum einen fordert er die Kinder zum Denken heraus und unterstützt ihre Lernprozesse. Zum anderen muss die Lehrperson die Lernfortschritte des einzelnen Schülers erkennen, rückmelden und daraus Schlussfolgerungen für ihr eigenes Vorgehen ziehen. Auch eine effiziente Klassenführung ist ein Merkmal von gutem Unterricht.

Was meinen Sie mit „Kinder zum Denken herausfordern“?

In der Wissenschaft nennt man das kognitive Aktivierung. Was zum Denken herausfordert, sind Aufgaben, die Kinder neugierig machen, die einen gewissen Lösungsdruck erzeugen und dabei die vorhandenen Interessen aufgreifen. Die Kunst besteht nun darin, solche Aufgaben und Probleme in den Unterricht einzubringen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Im Sozialkundeunterricht oder im Fach Politik und Wirtschaft beschäftigt man sich mit der Gewaltenteilung in Deutschland. Das ist stellenweise sehr trocken für Kinder und aktiviert nicht sonderlich zum Denken. Man kann aber das Theoretische mit lebensweltlich relevanten Problemen kombinieren. Zum Beispiel stellt man die Frage: Wer entscheidet eigentlich, wie viele Flüchtlinge zu uns kommen dürfen? Anhand dieses Beispiels kann man über die Aufgaben der Bundeskanzlerin, des Verfassungsgerichts, des Parlaments oder der Parteien diskutieren und auf die Gewaltenteilung eingehen.

Der zweite Schritt wäre die Festigung des Wissens. Was genau verstehen Sie darunter?

Das kognitive Aktivieren ist der erste Schritt für guten Unterricht. Der Pädagoge muss nun die Denkprozesse der Schüler unterstützen, Hilfestellung anbieten und Rückmeldungen geben, wenn Fehlkonzepte aufgebaut werden. Ich nenne das die konstruktive Unterstützung.

Die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler spielt hier doch auch eine Rolle?

Ja, denn wichtig ist, dass man als Schüler auch Wertschätzung erhält, wenn man etwas Falsches sagt. Ich werde nicht belächelt, zurückgewiesen oder kritisiert, sondern bekomme eine sachbezogene und nicht personenbezogene Rückmeldung und eine Korrektur. Die guten Lehrer gehen auch nicht zu schnell voran und warten hinreichend lange auf eine Antwort, nachdem sie eine Frage gestellt haben.

Als dritten Punkt nannten Sie die Dokumentation von Lernfortschritten. Etwa in Form von Klausuren?

Nein, nicht in erster Linie. Denn man muss zwischen Lern- und Leistungssituationen unterscheiden.

Wie unterscheiden sich diese Situationen?

Zum Beispiel machen Schüler in der Fahrschule 20 bis 30 Fahrstunden. In diesen Fahrstunden machen sie Fehler, die durch den Fahrlehrer korrigiert werden. Das sind Lernsituationen. Diese werden nicht benotet. Der Lernende wird nicht versuchen seinen Fehler zu vertuschen, denn er will ja Autofahren lernen und wenn nötig korrigiert werden. Dann gibt es die Leistungssituation. In diesem Beispiel wäre es die Fahrprüfung. Der Fahrschüler möchte nun natürlich keine Fehler machen, weil diese Situation bewertet wird. Wenn man dies nun zurück auf das Schulische projiziert, heißt das, dass wir so viele Lernsituationen wie möglich benötigen und nur so wenige Leistungssituationen wie nötig.

Das hört sich in der Theorie sehr gut an, in der Praxis ist das doch aber schwer realisierbar.

Ja, das ist auch sehr aufwendig. Diese Lernverlaufsdiagnostik ist in Deutschland noch in den Anfängen. Man braucht für jedes Fach einen großen Pool von Aufgaben, die Lehrer schnell vorgeben können und die schnell ausgewertet sind. Da gibt es inzwischen Softwareprogramme, wie zum Beispiel das Programm „quop“.

Was ist gute Klassenführung?

Gute Klassenführung ist störungspräventiv und maximiert so die aktive Lernzeit. Lehrer müssen frühzeitig in ihren Klassen Regeln und Routinen verabreden und einfordern. Das sollte bereits in der ersten Woche geschehen, obwohl vermutlich noch gar keiner den Unterricht gestört hat. Pädagogen müssen den Schülern auch allgegenwärtig erscheinen. Lehrer, die während des Unterrichts regelmäßig ihre Position wechseln, haben ihre Augen und Ohren überall.

Welches Ziel sollte ein Pädagoge stets vor Augen haben?

Klar möchten Lehrerinnen und Lehrer, dass die Schülerinnen und Schüler etwas lernen. Das Ziel muss sein, dass man jedes Kind so weit wie möglich fördert. Die Kinder haben unterschiedliche Lernvoraussetzungen. Lehrer können diese Unterschiede nicht einebnen, aber versuchen, das Maximum aus jedem Kind herauszuholen.

Haben Sie abschließend noch einen Tipp für Pädagogen?

Guter Unterricht ist keine Kunst, sondern etwas, das man erlernen kann. Wie in allen Berufen fällt es manchen leichter und manchen weniger leicht, die Kompetenzen für guten Unterricht zu erwerben. Das macht aber nichts. Die Lehrerbildung ist niemals abgeschlossen, sondern ein sich immer weiterentwickelndes Projekt. Auch gute Fortbildung gehört dazu.

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