Im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Bildung

Carsten Breyde ist der geschäftsführende Direktor der Phorms Education SE. Im Interview erklärt er, was die Phorms Schulen besonders macht
FOTO: ANDREA USISON | 2013/2

 

Bildungsthemen: Herr Dr. Breyde, was ist für Sie das Besondere der Phorms Schulen und Kitas?

Carsten Breyde: Junge Menschen werden bei uns auf eine globalisierte Welt vorbe­reitet und stehen so dem Fremden und Neuen aufgeschlossen gegenüber. Denn von Anfang an findet der Unterricht bilin­gual auf Deutsch und Englisch statt. Vie­le unserer Lehrer und Erzieher sind Muttersprachler aus den USA, aus Kanada, England, Australien, Südafrika oder Indi­en. So lernen die Kinder bei uns früh eine andere Sprache und auch andere Kul­turen kennen. Die Zweisprachigkeit eröff­net den jungen Menschen viele Möglich­keiten, ihre Zukunft zu gestalten. Wir bie­ten deutsche Schulabschlüsse, wie den Mittleren Schulabschluss und das Abitur an. Darüber hinaus sind zusätzlich inter­nationale Abschlüsse möglich.

Sie managen die Zentrale in Berlin, sind aber auch für die Phorms Schulen verantwortlich. Wie genau sieht ihr Job eigentlich aus?

Meine Aufgabe ist es vor allem, zwischen der Zentrale und den Schulen zu vermit­teln. Denn beide Seiten schauen aus un­terschiedlichen Perspektiven auf die ver­schiedenen Themen. Die Zentrale denkt notwendigerweise in Prozessen, geprägt von ökonomischen Aspekten. Das tun die Schulen natürlich auch, aber mit einem anderen Fokus. Hier gilt es immer wie­der Passungen herzustellen. Denn alles, was wir hier in der Zentrale managen, or­ganisieren und entscheiden, muss einen positiven Reflex in der Schulgemeinschaft haben, einen positiven Reflex in der Art und Weise, wie wir unsere Schüler bilden. Wir haben in unserer Berliner Zentrale ein ausgesprochen leistungsfähiges Team. Es macht mir viel Freude, mit diesem großartigen Team zu arbeiten.

Sie sind also eine Art Mittler zwischen Ökonomie und Pädagogik?

Ja, so könnte man das nennen. Denn ich muss auch den Eigentümern des Unter­nehmens, denjenigen, die in die Idee von Phorms investiert haben, immer wieder zeigen, dass es das richtige Investment ist. Und zwar auch im Rahmen einer Sozial­rendite, die ebenfalls unter ökonomischen Aspekten zu rechtfertigen ist.

Was meinen Sie mit dem Begriff‚ Sozialrendite?

Unsere Investoren und Förderer wissen, dass ihr Engagement nicht etwa mit dem an einer klassischen Industriebeteiligung zu vergleichen ist. Diese Menschen bau­en eben auch auf die Sozialrendite. In dem Augenblick, in dem wir junge Menschen gut ausbilden und ihnen eine positive Wert­haltung vermitteln, entsteht die soziale Rendite. Education im anglo-amerikanischen Sinne meint Bildung und Erzie­hung. So verstehen wir auch unsere Arbeit bei Phorms. Wenn junge Menschen mit ei­nem weltoffenen Werteverständnis und mit einem hohen Leistungsniveau unse­re Schulen verlassen und ihr Leben posi­tiv entfalten, leisten sie einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft.

Allerdings erhebt Phorms ja ein Schulgeld. Wahrscheinlich kann sich nicht jede Familie einen Schulplatz bei Phorms leisten...

Zunächst ist das Schulgeld einkommens­abhängig. Hier achtet natürlich der Ge­setzgeber zu Recht darauf, dass nicht nach den Einkommens- und Besitzverhältnissen der Eltern differenziert wird. Dann ist das pädagogische Assessment entscheidend für die Aufnahme der Kinder. Dieser Pro­zess ist vollkommen unabhängig von wirt­schaftlichen Fragestellungen. Es geht dar­um, ob das Kind dem bilingualen Kon­zept folgen kann und die sozialen und kognitiven Fähigkeiten hinreichend sind. Zusätzlich gibt es an einigen unserer Schu­len Stipendien, bei denen nur ein Teil des Schulgeldes gezahlt werden muss. Lang­fristig möchten wir ein zusätzliches Sti­pendienprogramm entwickeln, mit dem wir begabte Schüler aus bildungsfernen Umfeldern für unsere Schulen gewinnen wollen. Es gibt sicher viele Kinder, die über große intellektuelle Fähigkeiten ver­fügen, aber bisher nicht ausreichend ge­fördert wurden.

Sie arbeiten in einem Bereich, den man für widersprüchlich halten kann: Ökonomie und Bildung. Wie sind Sie dazu gekommen?

Nach dem Abitur in Hamburg habe ich zunächst eine Ausbildung zum Spediti­onskaufmann gemacht – Seehafen-Export. Ebenso richtig hanseatisch. Ich habe in diesem Beruf auch gearbeitet, wollte dann aber studieren. Ich entschied mich an der Uni Hamburg für Betriebswirtschaftsleh­re, Wirtschaftspädagogik und Sportwis­senschaft. Diese Kombination ermöglich­te mir den Abschluss des Diplom-Han­delslehrers und des Staatsexamens mit der Lehrbefähigung an allgemeinbildenden Gymnasien und beruflichen Schulen. Ich hatte die Absicht, es besser zu machen, als die Lehrer, bei denen ich in der Schule war.

Ist aus diesen Plänen dann etwas geworden?

Nur eingeschränkt. Denn bevor ich das Referendariat beginnen konnte, bot sich die Möglichkeit einer Assistenzstelle an der Uni Hamburg. Dies reizte mich sehr, da sich der Lehrstuhl mit dem Thema der Verbesserung von Lehr- und Lernbedin­gungen in Schulen beschäftigte. In die­sem Kontext promovierte ich dann. Da­nach war ich bis heute immer in Unter­nehmen tätig, deren Selbstverständnis es ist, Bildung als Dienstleistung anzubie­ten, um Menschen zu befähigen und zu stärken. Somit habe ich immer an der Nahtstelle zwischen Bildung und Ökono­mie gearbeitet.

Bildung und Ökonomie – das klingt nach viel Spannung und Konflikten. Was fasziniert Sie daran?

Ich finde es großartig, in diesem Span­nungsfeld tätig zu sein – Ökonomie auf der einen Seite und Bildung auf der an­deren Seite. Ich glaube das ist eine der großen gesellschaftlichen Aufgaben, die­se beiden Bereiche gewinnbringend für die Bildungsleistung zu vereinen. Darum bin ich immer bei diesem Thema geblie­ben, weil es eine große Herausforderung ist, immer wieder die Anforderungen des einen Bereichs in die Anforderungen des anderen Bereiches zu übersetzen und sich den optimalen Bedingungen anzunähern. Dies kann in der Tat nur annähernd er­folgen, denn Bildungsprozesse gestalten sich hochdynamisch und sind immer neu­en Rahmenbedingungen ausgesetzt.

Auch bei Phorms müssen Sie zwischen Ökonomie und Pädagogik vermitteln, zwischen der Zentrale und den Schulen. Wie würden Sie das Verhältnis der beiden zueinander beschreiben?

Die Zentrale soll den Schulen möglichst all das abnehmen, was sie daran hindert, sich auf die pädagogischen Prozesse und die methodisch-didaktischen Herausfor­derungen zu konzentrieren. Sie soll als Dienstleister den Rahmen dafür bilden, dass unsere Schulleiter und Lehrkräfte ih­re ganze Motivation und Energie auf die Ausbildung und Erziehung der Kinder richten können.

Haben die Schulen da nicht unterschiedliche Bedürfnisse?

Natürlich muss man genau schauen, wel­che individuelle Unterstützung die Schu­len brauchen. Unsere Schule in Berlin Mit­te hat in diesem Jahr zum zweiten Mal ei­nen Jahrgang erfolgreich zum Abitur geführt. Unsere Schule in Hamburg beginnt in diesem Jahr mit einer siebten Klas­se. Die Schulen haben da natürlich unter­schiedliche Bedürfnisse. Aber es gibt auch Leistungen, die alle gleichermaßen brau­chen, zum Beispiel die Vermittlung von Lehrkräften oder IT-Dienstleistungen. Bei den anderen Punkten müssen wir ge­meinsam mit den Schulen entscheiden, was ideal ist. Denn jede Schule entwickelt ihr eigenständiges Profil.

Wie geschieht das?

Im Wesentlichen sind hier drei Perspek­tiven zu berücksichtigen. Da sind zunächst die Kinder, die Schülerinnen und Schüler. Zweitens spielen auch die Eltern eine prä­gende Rolle. Und drittens geben natür­lich vor allem unsere Mitarbeiter, die Pädagogen und unsere Schulleiter ein be­stimmtes Profil. Wir wünschen uns, dass die Menschen, die bei uns arbeiten, sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit einbrin­gen. Somit sind auch die einzelnen Schu­len von ihrem Charakter her unter­schiedlich. Und diesem Unterschied ist natürlich auch in der Zusammenarbeit mit der Zentrale Rechnung zu tragen.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am meisten?

Dass ich täglich mit großartigen Menschen zusammenarbeite. Das betrifft die Schul­leiter und die kaufmännischen Leiterin­nen und Leiter an den Standorten, die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter im pädago­gischen Bereich aber auch alle, mit denen ich in Berlin in der Zentrale arbeite. Mir macht am meisten Freude, dass ich auf en­gagierte Leute treffe, denen ihre Arbeit viel Freude macht und die etwas bewegen wol­len. Denn wir alle arbeiten auf das gleiche Ziel hin: Exzellente Bildung für junge Men­schen. Ich weiß, das ist eine große Aufga­be, die wirklich Freude macht.

Sie arbeiten mit vielen verschiedenen Menschen zusammen. Was ist nach Ihrer Auffassung entscheidend für ein gutes Arbeitsklima?

Ich glaube, es ist ganz wichtig, die Men­schen zu sehen und ihnen persönlich zu begegnen. Eine Voraussetzung für Führungskräfte, dies tun zu können, ist aber, seine eigenen Bedürfnisse zu ken­nen. Wer selbst dauerhaft überlastet ist und seine Energiereserven nicht auffüllt, kann andere nicht unterstützen. Ich bin davon überzeugt, dass gute Leistung und ein gutes Miteinander nur entstehen, wenn Menschen gesehen werden, und wenn ein Klima der Menschlichkeit vor­herrscht, eben ein Miteinander. Was nicht heißt, dass man nicht auch unterschied­licher Meinung sein kann. Ich versuche, das richtige Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zu finden und jeden einzelnen, mit dem ich arbeite und dem ich begeg­ne, so wahrzunehmen, wie es ihm als Mensch gegenüber angemessen ist. Das ist für mich eine Handlungsmaxime, mit der ich in den letzten 30 Jahren meiner be­ruflichen Erfahrung sehr gut klargekom­men bin.

Was tun Sie sich gern Gutes?

Ich treibe sehr gerne Sport, bewege mich und bin an der frischen Luft, wann immer es geht. Das ist ein sehr guter Ausgleich zu den vielen sitzenden Tätigkeiten. Deshalb fahre ich auch meistens mit dem Fahrrad ins Büro. Und gutes Essen mit gutem Wein genieße ich sehr. Ich mag urbanes Leben mit Kunst und Kultur und die Begeg­nungen mit meinen beiden erwachsenen Söhnen, die bereits 24 und 26 Jahre alt sind. Auf die beiden sind meine Frau und ich sehr stolz.

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Phorms Education, dazu gehören insgesamt…

acht Standorte. Hamburg, München, Neckarsulm, die Internationale Schule in Hei­delberg H.I.S. sowie jeweils zwei Schulen in Frankfurt und Berlin. Die bilingualen, deutsch-­englischen Schulen und Kitas in freier Träger­schaft sind gemeinnützige GmbHs. Die Zentra­le in Berlin, die Phorms Education SE, unter­stützt die Schulen und Kitas in allen Bereichen, die für einen erfolgreichen und leistungsfähi­gen Betrieb die Grundlage bilden: bei der erfor­derlichen Anschubfinanzierung, bei der Suche nach und der Einstellung von Pädagogen, beim Einkauf von Schulmöbeln, IT-Infrastruktur oder der Beschaffung von Unterrichtsmaterial. Die Gründung der Phorms Education SE, früher Phorms Management AG, bildete die Grundlage für die Schulgründungen. Unter­nehmen und Privatpersonen investierten, weil sie von der Phorms Idee und der Notwendigkeit einer neuen, guten Form von Schule überzeugt waren. Viele Neugründungen scheitern in den ersten Jahren, da die Finanzierung sehr an­spruchsvoll ist. Öffentliche Mittel, die laut Pri­vatschulgesetz Schulen in freier Trägerschaft unter bestimmten Voraussetzungen zustehen können, fließen von Bundesland zu Bundesland zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unter­schiedlicher Höhe.


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AUTOR: LUISE MARON | FOTO: PHORMS EDUCATION SE