Wenn Schüler Mode machen

Kunstnebel umhüllt die Bühne, psychedelische Töne erklingen, grelles, rosa Neonlicht leuchtet auf und der Vorhang teilt sich. Ein Model mit einem Rock aus Schleiern und Metallstäben läuft im Takt der Musik auf das Publikum zu. Sie bleibt stehen, legt die Hände auf die Hüften und schaut in die Ferne. Dann balanciert sie auf ihren hohen Schuhen geschickt zurück in die Kulissen. Das nächste Model trägt einen Rock aus Holz, Engelsflügel schmücken den Rücken. Die Stoffflügel bewegen sich bei jedem Schritt im Rhythmus des Basses, bis das Model wieder hinter dem Vorhang verschwindet.
Im Backsteingebäude des Phorms Campus Berlin Mitte muss der Unterricht dem Klang der Mode und Kunst für eine Stunde weichen. Emely läuft nicht nur graziös im Rhythmus der Musik, um die Kleider zu präsentieren, sondern hat auch die ersten drei Outfits selbst kreiert. Ihre Kollektion sei von der Kultur der Sinti und Roma inspiriert und heiße „Daily Obstacles“. „Die Kollektion soll die Hindernisse, die dieser Kultur in den Weg gelegt werden, widerspiegeln“, sagt Emely. Sie und sieben weitere Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse des Phorms-Gymnasiums in Berlin-Mitte haben im Rahmen ihres Kunst-Leistungskurses am 16. September im Theatersaal der Schule ihre eigene Fashion Show nach dem Motto „From the Past to the Future“ organisiert.
In Zusammenarbeit mit der Berliner Designerin Ruth Janessa Funk entwickelten die Schülerinnen und Schüler jeweils eine eigene Modekollektion rund um die Geschichte verschiedener Kulturen. So dienten Elemente traditioneller afrikanischer, indischer oder arabischer Kleidung als Inspiration für die eigenen Entwürfe.
Emelys letzte Kreation trägt die Zehntklässlerin Elizabeth. Um ihre Hüfte wippt ein Plisseerock aus Zeitungen. Die Anfertigung dieses Rockes habe sehr lange gedauert, erklärt Emely. „Ich saß sogar mit meiner Oma zusammen und wir haben Zeitungen gefaltet. Auch wenn Freunde zu Besuch kamen, mussten sie mitfalten“, sagt sie lachend.
Der Plisseerock könne, sagt die Nachwuchsdesignerin, als eine Metapher für die Medien und ihre Macht verstanden werden.
Das Gesamtkonzept der Show hat die Künstlerin und Lehrerin Dr. Nina Schönefeld mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam erarbeitet. „Die Schüler sollten nicht nur die Kreationen, sondern auch ein Gesamtkonzept gestalten“, erklärt Nina Schönefeld.
Ob Musik, Bilder oder Videos – alles wurde passend zum jeweiligen Thema organisiert. Die Designerin Ruth Janessa Funk ging der Klasse beim Nähen zur Hand, denn manche, wie der 17-jährige Luc, saßen das erste Mal an einer Nähmaschine. „Das Nähen war eine Tortur, aber das Designen hat sehr viel Spaß gemacht“, sagt er. Die Kreationen der Schüler sind sehr kontrastreich. In Lucs Kollektion sind eher die hellen Farben und das Grün der Natur präsent.
Ganz anders bei Lara, die Farbakzente ins Spiel bringt. Ihr erstes Model betritt mit pinker Perücke den Laufsteg und trägt ein Outfit, das auch den Superstar Madonna beeindrucken könnte: ein Aluminium-Oberteil mit Brustspitzen, dazu knallig bunte Haare und einen Reifrock, auf dem ein weißes Stück Stoff gespannt ist. Mit dem markant aufgemalten Leberfleck, dem weiß gepuderten Gesicht und den blutroten Lippen, meint man, im Gesicht des jungen Models Züge der Königin Marie-Antoinette zu erkennen.
Alltagstauglich sind die meisten Kreationen zwar nicht, aber sie sorgen für Überraschung und sehen schön aus. Wie eine professionelle Fashion Show wurde das Projekt geleitet. Schüler aller Klassen wurden in den Event mit einbezogen. So modelten Schüler der unteren Stufen, der Kunst-Leistungskurs der elften Klasse war für das Marketing zuständig und manche halfen bei der Technik.
„Es macht richtig Spaß“, sagt Zazie. Sie hat Emelys Kreationen präsentiert und belegt auch das Fach Kunst als Leistungskurs. Zazie freut sich schon. Im nächsten Jahr wird sie ihre eigene Kollektion gestalten.